Phasenverteilung des untersuchten komplexen Mehrphasen-Strömungsvorgangs im Porenraum in einer gesinterten Glasperlenpackung.

4dimensionale Bilder von winzigen Hohlräumen

1. Dezember 2020 / EXCSimTech/kur

Forschende der Fakultät nutzen die hochauflösende Röntgentomographie, um Transportprozesse in teilweise gesättigten porösen Medien sichtbar zu machen
[Bild: SFB1313]

Forschende der Fakultät machen mit Hilfe hochauflösender Röntgentomographie Transportvorgänge in teilgesättigten porösen Medien sichtbar. Wie sich Schadstoffe in so genannten teilgesättigten porösen Medien - zum Beispiel in Sand oder Kies - ausbreiten, ist aufgrund der komplexen Vorgänge nur schwer zu berechnen. Einem Team um Prof. Holger Steeb, Direktor des Instituts für Mechanik im Bauwesen der Fakultät, ist es nun gelungen, den Stofftransport im Porenraum mittels hochauflösender synchrotronbasierter Röntgentomographie sichtbar zu machen. Die renommierte Fachzeitschrift PNAS berichtete darüber*.

Transportprozesse in porösen Medien spielen bei einer Vielzahl von technischen Anwendungen eine äußerst wichtige Rolle. Entweder kann ein einzelnes Fluid (Flüssigkeit oder Gas) durch die Poren eines Festkörpers strömen - in diesem Fall spricht man von vollständig gesättigten porösen Medien - oder ein Phasengemisch wie Gas/Öl und Wasser. Letztere, so genannte teilgesättigte poröse Medien, kommen in der Praxis sehr häufig vor, zum Beispiel in oberflächennahen Sand- und Kiesböden, in Gas- und Öllagerstätten sowie in geothermischen Reservoiren. Wenn nun - zum Beispiel durch eine Umweltkatastrophe - Schadstoffe in den Untergrund gelangen, lässt sich relativ einfach berechnen, wie sie sich in voll gesättigten porösen Medien ausbreiten. Bei teilgesättigten porösen Medien hingegen waren die konvektiven (durch Strömung) und diffusiven (durch Vermischung) Ausbreitungsvorgänge bisher nicht eindeutig geklärt.

Mit Hilfe bildgebender Verfahren konnte das Team von Prof. Holger Steeb, Inhaber des Lehrstuhls für Kontinuumsmechanik der Fakultät sowie Forschungsleiter im Exzellenzcluster SimTech und im Sonderforschungsbereich 1313, nun erstmals nachweisen, dass sich der Stofftransport in teilgesättigten porösen Medien grundlegend von dem in vollgesättigten porösen Medien unterscheidet. Dazu spülten die Forschenden Salzwasser in ein Öl-Wasser-Gemisch ein und machten den komplexen Transportvorgang im Porenraum sichtbar. Hierfür verwendeten sie eine synchrotronbasierte Röntgentomographie für vierdimensionalen Untersuchungen mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung.

Phase distribution of the investigated complex multi-phase flow process in the pore space in a sintered glass bead packing.

Phasenverteilung des untersuchten komplexen Mehrphasen-Strömungsvorgangs im Porenraum in einer gesinterten Glasperlenpackung. Photo: SFB1313

Bessere Vorhersagemodelle als Ziel

Dabei stellten die Forschenden fest, dass stagnierende, d.h. sich nicht bewegende Abschnitte im Porenraum des porösen Materials eine wichtige Rolle bei der Dispersion der Salzwasserpartikel spielen. Während in den bewegten Zonen der Transportprozess durch Konvektion dominiert wird, sind es in den stagnierenden Zonen vor allem Diffusionsprozesse, die die Zeitskala bestimmen, in der sich die Salzwasserpartikel ausbreiten.

Basierend auf den hochauflösenden 4D-Datensätzen (3,25 Mikrometer im Raum und 6 Sekunden in der Zeit) konnten sowohl die bewegten als auch die stagnierenden Zonen genau charakterisiert und ihr fluid-topologischer Einfluss ("footprint") auf die effektive Nicht-Fick-Diffusion (ein Modell zur Berechnung von Diffusionsprozessen) gezeigt werden. Auf der Basis dieser Ergebnisse können in Zukunft auf physikalischer Basis effektive Simulationsmodelle auf der sogenannten Darcy-Skala weiterentwickelt werden. Dies, so die Hoffnung der Forschenden, wird zu verbesserten Prognosemodellen führen, mit denen beispielsweise die Auswirkungen auf den Boden oder das Trinkwasser im Falle von Schadstoffbelastungen genauer vorhergesagt werden können.

Die Arbeiten wurden im Rahmen des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1313 und des Exzellenzclusters (EXC) 2075 (SimTech) der Universität Stuttgart in enger Zusammenarbeit mit Kollegen der Universität Manchester, Großbritannien, des Helmholtz-Zentrums in Dresden-Rossendorf und von Diamond Lightsource in Didcot, Großbritannien, entwickelt.

*Originalveröffentlichung: “Direct characterization of solute transport in unsaturated porous media using fast X-ray synchrotron microtomography”, S. Hasan, V. Niasar, N.K. Karadimitriou, J.R.A. Godinho, N.T. Vo, S. An, A. Rabbania and H. Steeb, PNAS from 8 September 2020, https://www.pnas.org/content/early/2020/09/03/2011716117

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Kontakt Prof. Dr.-Ing. Holger Steeb, Universität Stuttgart, Institut für Mechanik im Bauwesen, Lehrstuhl für Kontinuumsmechanik, +49 711 685-66346
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