Das Verbundprojekt „RUN“ (Rural Urban Nutrient Partnership, Nährstoffgemeinschaften für eine zukunftsfähige Landwirtschaft) hat die Arbeit aufgenommen. Koordiniert vom Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft (ISWA) der Fakultät entwickeln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen zusammen mit Praxispartnern Systemlösungen mit dem Ziel, Nährstoffkreisläufe zwischen Stadt und Land zu schließen.
Die Welt braucht den effizienten Umgang mit Ressourcen. Auch die Landwirtschaft muss neue Wege einer ressourcenschonenden Nahrungsmittelproduktion gehen. Das betrifft nicht nur landwirtschaftliche Produktions- und Wirtschaftsweisen, sondern auch einen Wandel im Konsumverhalten städtischer Bewohnerinnen und Bewohner sowie innovative Verwertungsverfahren für Bioabfälle und häusliche Abwässer. Im Projekt RUN erarbeiten Forschende zusammen mit zwei Industriepartnern und einem assoziierten Praxispartner ein Konzept für die Kreislaufschließung durch Nährstoffgemeinschaften zwischen städtischen Bewohnerinnen und Bewohnern und Landwirtinnen und Landwirten. RUN ist eines von acht Projekten des Forschungsvorhabens „Agrarsysteme der Zukunft“ im Rahmen der „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt das zunächst dreijährige Projekt mit gut 4,2 Millionen Euro.
Reallabor – Sozio-technisches Experiment unter Echtzeitbedingungen
Der Aufbau des Projekts gleicht teilweise einem Reallabor, eine Pilotanlage und ein Erfahrungsraum sollen aufgebaut werden. Dort können die neuen Technologien unter Echtzeitbedingungen und mit der Beteiligung realer Akteurinnen und Akteure erprobt werden. Projektkoordinator Prof. Martin Kranert vom Lehrstuhl für Abfallwirtschaft und Abluft des ISWA: „RUN verknüpft Technologien, Stoffstrom-Modelle, systemische Szenarioanalyse und sozialwissenschaftlich-partizipative Methoden miteinander“.
Verwertungsprodukte und deren Umweltauswirkungen unter der Lupe
In einem Teilmodul entwickeln die Projektmitarbeitenden Konzepte und Technologien, um Nährstoffe aus Bioabfall und häuslichem Abwasser zu einem sicheren und wirksamen Design-Düngemittel für die Landwirtschaft zu entwickeln. Geplant ist der Bau einer großtechnischen Pilotanlage in einem städtischen Wohnquartier in Heidelberg, um die Umsetzung der Nährstoffrückführung aus der Stadt in einem kurzen Kreislauf in die Landwirtschaft zu demonstrieren. Die künftigen Recyclingprodukte müssen eine sichere Verwendung gewährleisten. Methoden der Rückgewinnung werden deshalb in Laborversuchen getestet, Nährstoffbilanzen kalkuliert und Produkte wie Düngemittel, Biogas (zur Energiegewinnung), thermisch produzierte Pflanzenkohle und Biokunststoff hergestellt. Weiterhin werden die Nährstoffverfügbarkeiten der erzeugten Dünger für Pflanzen untersucht und die Verwertbarkeit in der Landwirtschaft beurteilt. Mit Hilfe von Ökobilanzen beurteilen RUN-Partner parallel die Umweltauswirkungen der neuen Technologien. An der Entwicklung und Untersuchung der neuen Technologien sind die Siedlungswasser- und Abfallwirtschaftsexperten der Universität Stuttgart (ISWA) beteiligt sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TU Kaiserslautern, der Universität Hohenheim und des Thünen-Instituts Braunschweig. Weitere Projektpartner sind die Ingenieurbüros Björnsen Beratende Ingenieure GmbH und iat-Ingenieurberatung für Abwassertechnik GmbH.
Nutzung von Düngemitteln an konkretem Standort modellieren
Die Aufgabe eines weiteren Teilmoduls ist eine systemische Analyse für den Einsatz neuer Technologien und Konzepte. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Institute für Landwirtschaftliche Betriebslehre und für Kulturpflanzenwissenschaften der Universität Hohenheim sowie des Thünen-Instituts (TI-AT) bewerten zunächst die Rentabilität möglicher Konzepte, erstellen Ökobilanzen zur Identifikation von Zielkonflikten und modellieren das regionale Nährstoffmanagement. Über Szenarienanalysen erstellen Mitarbeitende des Instituts für Landschaftsplanung und Ökologie (ILPÖ) der Universität Stuttgart, des ISWA und des KIT-Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse außerdem Modelle, die Gunsträume aber auch die Auswirkungen auf die örtliche Infrastruktur, Wirtschaft und Umwelt abbilden. Münden werden die Szenarienanalysen in ein Systemmodell, das ganzheitlich die Art und Mengen der zu erwartenden Stoffflüsse aufzeigt. Mit Hilfe des Systemmodells beurteilen die Forschenden, ob es etwa zwischen den Akteurinnen und Akteuren Nutzungs- oder Zielkonflikte gibt. Auch Übertragungsmöglichkeiten auf andere Regionen werden somit überprüfbar.
Nutzerperspektiven für bestmögliches Design von Kreisläufen nutzen
Möglichen Bedürfnissen, Anforderungen, Erfahrungen oder Hemmnissen gegenüber dem Recycling von Abfall und Abwasser in der Landwirtschaft aus Sicht der Nutzerinnen und Nutzer widmet sich ein drittes Teilmodul. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Heidelberg und des KIT recherchieren Denk- und Verhaltenstraditionen sowie einschlägige Vorerfahrungen mit ähnlichen Projekten an anderen Standorten, veranstalten Fokusgruppen, führen Befragungen durch und leiten daraus Faktoren ab, die den psychosozialen Umgang mit der Erfassung, Behandlung und Verwertung von Abfällen bei den zentralen Nutzendengruppen „Landwirtinnen und Landwirte“ und „städtischen Bewohnerinnen und Bewohner“ beeinflussen. Über die empirischen Untersuchungen wollen die Forscher mögliche Vorbehalte der Stadtbewohnenden gegenüber veränderten Nutzerschnittstellen (z.B. in Form von Vakuumtoiletten) erkennen und mehr über die Präferenzen der Landwirtinnen und Landwirte für Düngemittel erfahren. Wie Design-Düngemittel aus deren Sicht beschaffen sein müssen oder unter welchen logistischen und betriebswirtschaftlichen Konditionen sie Abnehmerinnen und Abnehmer finden, erarbeiten die Soziologinnen und Soziologen aus Heidelberg gemeinsam mit den Hohenheimer Agrarökonominnen und -ökonomen aus Hohenheim. Die Erkenntnisse fließen frühzeitig in die Entwicklung der Konzepte, Raumszenarien und in das Design der Pilotanlage samt Erfahrungsraum ein. Der Erfahrungsraum soll von der Nährstofferzeugung in Haushalten bis zur Rückführung in die landwirtschaftliche Erzeugung sämtliche Schritte im Nährstoffrecycling sichtbar machen.
Integration und Kommunikation der Ergebnisse garantieren
Im Kernmodul führen die RUN-Partner die Ergebnisse zusammen und entwickeln in enger Zusammenarbeit mit den Teilmodulen und gemeinsam mit Stakeholdern Nachhaltigkeitskriterien. Anschließend bewerten sie die entwickelten Lösungen anhand der zuvor ermittelten Daten. Ziel ist, die Nachhaltigkeit der Nährstoffgemeinschaften sicherzustellen. Das Forschungszentrum für Globale Ernährungssicherung und Ökosysteme der Universität Hohenheim unterstützt beim Austausch der Ergebnisse innerhalb der Wissenschaft, verbessert die Informationslage und Urteilsbasis für Entscheidungsträgerinnen und –träger und sensibilisiert die Bevölkerung für Nährstoffkreisläufe zwischen Stadt und Land. Hierbei ist wichtig, dass sich zum Beispiel städtische Bewohnerinnen und Bewohner nicht nur als Konsumentinnen und Konsumenten, sondern auch als Produzentinnen und Produzenten wertvoller Sekundärnährstoffe betrachten. Durch das Zusammendenken aller Komponenten dient RUN als Leuchtturmprojekt. Damit können die Forschenden überprüfen, ob sich die Kreislauf- und Verwertungskonzepte auch auf andere größere Regionen wie z. B. die Metropolregion Rhein-Neckar übertragen lassen.
Kontakt | Prof Dr.-Ing. Martin Kranert (RUN-Projektkoordinator), Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft (ISWA), +49 711 685-65500 |
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