Dirk Schwede, Ph. D.

Nachhaltig Bauen in tropischem Klima

27. Oktober 2019 /

Deutsch-Vietnamesisches Kooperationsprojekt will Energie- und Ressourcenverbrauch senken

Nachhaltiges Bauen in stark wachsenden Metropolen ist für die Boomländer Südostasiens eine hoch aktuelle Herausforderung. Europäische Ansätze sind auf diese Länder schwer übertragbar, da sie aufgrund des heißen und feuchten Klimas oft zu bautechnischen und bauphysikalischen Problemen führen. Wie die Energie- und Ressourcenwende gelingen kann, untersucht das deutsch-vietnamesische Kooperationsprojekt CAMaRSEC unter Federführung der Universität Stuttgart. Die Auftaktveranstaltung fand im Oktober in Hanoi statt.

Der rasante wirtschaftlicher Aufschwung, wachsender Wohlstand und der Zuzug vieler Menschen in die Großstädte hat in Vietnam einen Bauboom in Gang gesetzt. Es entstanden Gebäudetypologien wie Hochhäuser, gebaut mit Materialien und Bausystemen, die in Vietnam zuvor nicht üblich waren. Auch neue Versorgungssysteme wie Klimaanlagen sind mit den geänderten Lebensgewohnheiten und Komfortansprüchen längst Standard geworden. Die Folge ist ein massiver Anstieg des Verbrauchs an Energie und Ressourcen.

Um vor diesem Hintergrund die Pariser Klimaziele zur Begrenzung der Erderwärmung umzusetzen, hat die vietnamesische Regierung in den vergangenen Jahren neue Energiestandards eingeführt und Vorschriften zur Materialauswahl erlassen. Aufgrund des extrem feucht-warmen Außenklimas und der gekühlten Innenräume zeigten sich an den neuen Gebäuden jedoch bald Bauschäden wie Risse in den Wänden und Schimmel. „Diese Probleme führten dazu, dass innovative Bausysteme und das energieeffiziente Bauen insgesamt in Vietnam einen schlechten Ruf haben“, erläutert Projektleiter  Dirk Schwede, Ph.D.. Dieser war bis Dezember 2018 Inhaber der Robert Bosch Stiftungs-Juniorporoifessur "Nachhaltiges Bauen" der Fakultät und arbeitet jetzt am Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung (IGTE) der Universität Stuttgart. Dr. Le Trung Thanh, der Generaldirektor des Vietnamesischen Instituts für Baumaterialien (VIBM), betonte im Rahmen der Konferenz in Hanoi: „Die Bauherren in Vietnam möchten nachhaltig bauen, doch dafür sind verlässliche Lösungen notwendig“.

Bauphysiklabor und Freilandtests nach deutschem Vorbild

Um solche Lösungen zu erforschen, errichten die Projektpartner, darunter auch das von Prof. P. Leistner vom Institut dfür Akustik und Bauphysik der Fakultät geleitete Fraunhofer Institut für Bauphysik, in Vietnam ein Bauphysiklabor sowie ein Freilandtestfeld nach dem Vorbild von Einrichtungen in Stuttgart und Holzkirchen. In diesen soll untersucht werden, wie sich verschiedene Materialien unter den extremen Klimabedingungen Vietnams verhalten und wie sie verbaut werden müssen. Die lokalen klimatischen und nutzungsspezifischen Randbedingungen werden durch umfangreiche Befragungen durch die Universität Hamburg sowie durch Raumklimamessungen durch die Universität Stuttgart, die National University of Civil Engineering (Hanoi) und die Ton Duc Thang University (Ho-Chi-Minh-Stadt) ermittelt. Die Forschenden der Universität Stuttgart arbeiten zudem an der Lebenszyklusbewertung von Bausystemen und zusammen mit dem VIBM an einem Kennzeichnungssystem für Baumaterialien auf dem vietnamesischen Markt.

Da die Bauschäden zum Teil auch eine Folge von Wissensdefiziten im Umgang mit nachhaltigen Materialien sind, entwickeln die Projektpartner Bau Bildung Sachsen e.V. und das College of Urban Works and Construction in Hanoi darüber hinaus Lehrpläne für die Ausbildung von Bauarbeitern, die auf diese Materialien und die lokalen Bedingungen abgestimmt sind.

Übertragung auf andere Länder

Das Projekt „Klimaangepasste Materialforschung für den Sozioökonomischen Kontext in Vietnam“ (CAMaRSEC) wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in den Jahren 2019 bis 2022 mit insgesamt rund 2,1 Millionen Euro gefördert.

Die Erkenntnisse aus dem Projekt sollen später auch dem nachhaltigen Bauen in anderen Ländern Südostasiens zugutekommen. So forscht Dirk Schwede beispielsweise auch im Rahmen des BMBF-Projekts „Build4people“ an energie- und ressourceneffizienten Gebäude- und Stadtentwicklungskonzepten für die Menschen in Kambodscha. Neben einer Senkung des Energieverbrauchs zielt das Projekt auf geringere Schadstoffemissionen, ein gesünderes Stadtklima sowie auf die Sensibilisierung von Entscheidungsträgern und Bevölkerung.

Kontakt Dirk Schwede, Ph. D., Universität Stuttgart, Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung, Tel.: +49 (0)711 685-62090, dirk.schwede@igte.uni-stuttgart.de
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