Abschlussbericht wird diskutiert

IREUS II-Studie veröffentlicht

9. April 2020 / PK+KUR

BWs ländlicher Raum bleibt für Arbeiten und Leben sehr attraktiv
[Bild: C. Sengewald]

Der Ländliche Raum Baden-Württembergs ist ein sehr attraktiver Arbeits- und Lebensraum. Zu diesem Schluss kommt die vom Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung (IREUS) der Fakultät und dem Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung gGmbH (ILS) verfasste Studie „Entwicklung der Ländlichen Räume in Baden-Württemberg“, die am 31. Januar 2020 im Beisein von Minister Peter Hauk in Sulz am Neckar diskutiert wurde (siehe Foto).

Diese Studie bietet einen breiten Überblick über die gesamträumliche Entwicklung des Landes und nimmt dabei sowohl die Unterschiede zwischen den Raumkategorien als auch die teilräumlichen Entwicklungstrends innerhalb des Ländlichen Raumes in den Blick. Sie liefert eine Datenbasis zur Identifizierung von dynamischen Regionen, aber auch von Regionen, die sich der Notwendigkeit eines präventiven Strukturwandels ausgesetzt sehen, um langfristig dem Ziel von gleichwertigen Lebensverhältnissen gerecht zu werden.

Die Kernergebnisse der wirtschaftlichen Analyse spiegeln die positive Wirtschaftsentwicklung der vergangenen Jahre und die Leistungsfähigkeit der ländlichen Räume in Baden-Württemberg wider. So vollzogen alle Raumkategorien bis zum untersuchten Jahr 2016 eine gleichschrittige Wirtschaftsentwicklung und erreichten nahezu Vollbeschäftigung. Der Anteil des Ländlichen Raumes an der gesamten Bruttowertschöpfung des Landes liegt stabil bei 28 %. Landesweit sind kaum großräumige Disparitäten, sondern vielmehr sehr kleinräumig differenzierte Entwicklungsunterschiede feststellbar. So heben sich im Ländlichen Raum einzelne wachstumsstarken Räumen wie die Kreise Biberach, Tuttlingen oder die Bodenseeregion von weniger dynamischen Regionen ab. Nicht selten finden sich sogar strukturstarke Gemeinden mit überdurchschnittlicher Dynamik in direkter Nachbarschaft zu Gemeinden mit stark unterdurchschnittlicher Struktur und Dynamik. Da der Ländliche Raum eher durch diese kleinräumigen Unterschiede gekennzeichnet ist, erscheint die Förderung der interkommunalen Kooperation ein wichtiger Ansatz zur Stärkung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Zudem zeigt die Analyse, dass die Zuordnung zu Gebietstypen wie „ländlich“ oder „verdichtet“ nicht grundsätzlich mit Prosperität und Wohlstand korrespondiert, und sich vielerorts die klein- und mittelständischen Betriebe des Produzierenden Gewerbes als das Rückgrat der Baden-Württembergischen Wirtschaft erweisen.

Ein positives Fazit kann die Studie großenteils auch für das weiterhin engmaschige Standortnetz der Infrastruktur ziehen. Zumindest für eine automobile Bevölkerung bleiben die Fahrzeitbelastungen beim Aufsuchen von Versorgungseinrichtungen gering. Sollten jedoch weitere Konzentrationsprozesse in der Bildungs- und Gesundheitsinfrastruktur nicht aufzuhalten sein, drohen deutliche Verschlechterungen der Erreichbarkeiten im Ländlichen Raum.

Ungeachtet der insgesamt positiven Gesamtentwicklung konnten mit der demografischen Entwicklung und der Fachkräftesicherung zwei zentrale Zukunftsrisiken identifiziert werden. Im Bundesländervergleich zeichnet sich der Ländliche Raum Baden-Württembergs zwar durch eine bemerkenswerte demografische Stabilität aus, jedoch wurde diese in den vergangenen Jahren fast ausschließlich durch internationale Migration ermöglicht. Ohne externe Zuwanderung wäre im Ländlichen Raum ein Bevölkerungsrückgang festzustellen gewesen. Die Gründe hierfür liegen im Sterbeüberschuss und der negativen Wanderungsbilanz mit dem Verdichtungsraum. Im Vergleich sind mehr Menschen aus dem Ländlichen Raum in den Verdichtungsraum gezogen als umgekehrt. Hierbei wirkt sich in besonderem Maße die anhaltende Abwanderung jüngerer Menschen negativ aus. Diese Bildungswanderung sorgt für eine zunehmende Überalterung des Ländlichen Raumes und damit einhergehend zu einem beschleunigten Abschmelzen des Erwerbspersonenpotenzials. Mit Hinblick auf den sich insbesondere in den ländlichen Regionen abzeichnenden Fachkräfteengpass kann darin ein großes Zukunftsrisiko gesehen werden. Die Erhaltung der wirtschaftlichen Stärke und Innovationskraft des Ländlichen Raumes setzt die Fachkräftesicherung zwingend voraus. Eine zentrale Rolle spielen hierbei die Mittelstädte, die sich insgesamt als Zugpferde einer positiven Entwicklung im Ländlichen Raum entfalten konnten. Sie können eine Auffang- und Ankerfunktionen für ihr regionales Umfeld einnehmen und haben das Potenzial, manche kleinen Gemeinden ohne leistungsfähige Infrastruktur, die in besonderem Maße von Bevölkerungsrückgängen und Alterung betroffen sind, zu stabilisieren.

Mit dem Wissen über diese Zukunftsherausforderungen empfiehlt die IREUS II-Studie, einen Mittelweg zwischen aufholender Humankapitalausstattung und der Unterstützung des bedeutenden Produzierenden Gewerbes zu finden. Es sollte dringlich vermieden werden, die akademische und die berufliche Ausbildung in einer bildungspolitischen Konfrontation gegeneinander auszuspielen. Ferner gilt es grundsätzlich, Strukturbrüchen präventiv entgegen zu wirken. Daher werden eine integrierte Gesamtstrategie sowie spezielle Zielprozesse für strukturschwächere Regionen empfohlen, um den Ländlichen Raum weiter zu entwickeln und die Zukunftsfähigkeit zu erhalten. Nicht zuletzt werden in der interkommunalen Kooperation Lösungsansätze für die kleinräumigen Disparitäten gesehen.

Für Rückfragen stehen auch die drei Autoren des IREUS zur Verfügung.
Prof. Dr.-Ing. habil. Jörn Birkmann
Dr.–Ing. Richard Junesch
Hannes Lauer, M.Sc.

Abschlussbericht IREUS-II-Studie

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